Urteil 5

BGH – 12.02.2020 – Az. XII ZR 61/19

Pferdepensionsvertrag: Wirksamkeit einer vorformulierten Vertragsbestimmung über eine Kündigungsfrist von acht Wochen


Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 11. April 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütung für die Einstellung eines Pferdes in einer Reitanlage.

Die Beklagte hatte ihr Pferd seit Februar 2016 aufgrund eines „Pferdeeinstellungsvertrages“ für eine monatliche Vergütung in Höhe von 300 € im Reitstall des Klägers eingestellt. Die einzelnen Vertragsbedingungen ergeben sich aus einem vom Kläger gestellten Formularvertrag, der auszugsweise den folgenden Inhalt hat:

„§ 1 Vertragsgegenstand 1. Einstellplatz für nachfolgend genanntes Pferd: …

2. Der Betrieb stellt folgendes:

– Einstellplatz des oben genannten Pferdes im Aktivlaufstall – Reinhaltung der Anlage und Entsorgung des Pferdedungs (Ausgenommen Sonn- und Feiertage)

– Bewegungshalle (20m x 40m)

– Außenplatz/Rasenplatz – Fütterung durch entsprechende Raufutterstationen – Tränken des Pferdes durch Selbsttränken – Bewegung des Pferdes durch Konzept Aktivlaufstall – Sattelschrank – Gesundheitskontrolle des Pferdes und Benachrichtigung des Einstellers, im Notfall Benachrichtigung und Beauftragung des Tierarztes (…)

§ 2 Vertragsdauer 1. Der Vertrag beginnt am … und läuft auf unbestimmte Zeit.

2. Ist der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen, so kann er von beiden Seiten mit einer Kündigungsfrist von 3 (drei) Monaten zum Monatsende gekündigt werden. (…)

3. Der Vertrag kann ohne Einhaltung der Kündigungsfrist nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. (…)“

Nach § 4 des Vertrags sollten mit dem „Einstellerpreis“ von 300 € die Nutzung der Anlage und die Versorgung des Pferdes mit Wasser abgegolten sein, während darüber hinaus gehende „Serviceleistungen“ – etwa die Lieferung von Kraftfutter oder Heu – bei Vertragsschluss gesondert zu buchen und nach einer Preisliste zu vergüten waren. Ferner ist bestimmt, dass eine vorübergehende Abwesenheit des eingestellten Pferdes wegen Turnierbesuchen oder Klinikaufenthalten den Einsteller nicht von der Verpflichtung zur Zahlung des Einstellplatzes befreit und der Einstellerpreis auch bei einer Abwesenheit des Pferdes bestehen bleibt.

Die Beklagte erklärte am 29. April 2016 die ordentliche Kündigung des Einstellvertrags. Mit Schreiben vom 18. Juli 2016 teilte die Beklagte mit, diese Kündigung „zurücknehmen“ zu wollen und bat um „Aufrechtrechterhaltung des Vertrages in der ursprünglich vereinbarten Weise“. Mit Schreiben vom 29. August 2016 kündigte die Beklagte den Vertrag erneut und diesmal fristlos. Als Kündigungsgrund gab sie eine schlechte Grundversorgung mit staubigem und schimmeligem Heu und dadurch hervorgerufene Atemprobleme ihres Pferdes an.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – ausstehende „Einstellerpreise“ für die Monate September bis November 2016 in Höhe von 900 € nebst Zinsen geltend gemacht. Insoweit hat das Amtsgericht die Beklagte nach Durchführung einer Beweisaufnahme antragsgemäß zur Zahlung und zur Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision.

Gründe

Die Revision ist begründet.

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Pferdepensionsvertrag handele es sich um einen entgeltlichen Verwahrungsvertrag, weil der rechtliche Schwerpunkt des Vertrags in den Bereich des Verwahrungsrechts, nicht aber in den Bereich des Dienstvertragsrechts oder des Mietrechts falle. Ein Schwerpunkt im Dienstvertrag könne nicht angenommen werden, weil der Kläger dem Einsteller zwar die Benutzung der Reithalle und der zugänglichen Bereiche innerhalb des Aktivlaufstalls gestattet, sich aber darüber hinaus nicht zum Reiten oder Führen des Pferdes verpflichtet habe. Ebenso wenig liege ein Schwerpunkt im Mietrecht vor, denn es sei dem Einsteller zum einen keine individuelle Pferdebox zugewiesen worden. Zum anderen habe der Kläger nach Maßgabe des in § 1 Ziff. 2 des Vertrags geregelten Leistungskatalogs vertragswesentliche und typusbildende Obhuts- und Fürsorgepflichten wie das Ausmisten, die Fütterung und die Gesundheitskontrolle für das eingestellte Pferd übernommen.

Ein Anspruch des Klägers auf Vergütung für die Monate September bis November 2016 bestehe nicht, weil die Beklagte die Verträge wirksam gekündigt habe. Die teilweise vertretene Auffassung, dass bei einem gemischten Vertrag mit dem Schwerpunkt im Verwahrungsrecht das Kündigungsrecht nicht nach Maßgabe des § 695 BGB zu handhaben sei, treffe nicht zu. Das jederzeitige Rückforderungsrecht gemäß § 695 BGB folge aus dem Wesen des Verwahrungsvertrags; bei Abbedingung dieses Kernelements liege kein Verwahrungsvertrag mehr vor. Die von dem Kläger formularmäßig verwendete Klausel sei wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Kündigungsklausel weiche entscheidend von der Regelung des § 695 BGB ab, die einen wesentlichen Grundgedanken des Verwahrungsrechts beinhalte. Eine Differenzierung zwischen dem Recht der jederzeitigen Rückforderung einerseits und der Kündigung des Verwahrungsvertrags andererseits würde das Recht des Hinterlegers aus § 695 BGB praktisch aushöhlen. Denn die Verpflichtung, das vereinbarte Pensionsentgelt weiterhin zu zahlen, könne dem Hinterleger bei seiner Entscheidung, ob er von seinem Rückforderungsrecht Gebrauch machen wolle, möglicherweise unangemessen unter Druck setzen. Die formularmäßige Regelung einer Kündigungsfrist liege auch nicht im beiderseitigen Interesse der Parteien. Die teilweise vertretene Auffassung, dass ohne Vereinbarung einer beiderseitigen Kündigungsfrist auch der Einsteller mit einem jederzeitigen Rücknahmeverlangen des Stallbetreibers rechnen müsste, sei unzutreffend, weil der Verwahrer nach § 696 BGB die jederzeitige Rücknahme der hinterlegten Sache nur dann verlangen könne, wenn eine Zeit für die Aufbewahrung nicht bestimmt sei. Weil die Verwahrung im Dispositionsinteresse des Hinterlegers erfolge, sei das Interesse des Hinterlegers schutzwürdig, das Pferd – etwa bei einer Erkrankung – umgehend herauszufordern und den Vertrag kündigen zu können. Dagegen spreche auch nicht die Regelung des § 699 Abs. 2 BGB. Selbst nach dieser Vorschrift stelle die lediglich anteilige Vergütung des Verwahrers den gesetzlichen Regelfall dar. Die Verpflichtung, das vereinbarte Pensionsentgelt auch nach Beendigung der Verwahrung zahlen zu müssen, laufe auf eine Umkehrung dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses hinaus.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach ein Pferdepensionsvertrag grundsätzlich als typengemischter Vertrag anzusehen ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet ein gemischter Vertrag ein einheitliches Ganzes und kann deshalb bei der rechtlichen Beurteilung nicht in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden. Der Eigenart des Vertrags wird vielmehr grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt. Eine solche rechtliche Einordnung schließt es freilich nicht aus, auch Bestimmungen des Vertragsrechts heranzuziehen, bei dem der Schwerpunkt des Vertrags nicht liegt, wenn allein hierdurch die Eigenart des Vertrags richtig gewürdigt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 2019 – XII ZR 8/19NJW 2020, 328 Rn. 12 mwN zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

b) Das Berufungsgericht hat den Pferdepensionsvertrag – auch bezüglich der Modalitäten der Vertragsbeendigung – nach seinem rechtlichen Schwerpunkt dem Verwahrungsrecht (§ 688 BGB) unterstellt. Ob diese rechtliche Zuordnung zutreffend ist, hat der Senat bislang offengelassen (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 2019 – XII ZR 8/19NJW 2020, 328 Rn. 14 f.), und diese Frage bedarf auch im vorliegenden Fall keiner näheren Erörterung. Denn selbst wenn man der Beurteilung des Berufungsgerichts folgen wollte, stünde dies der wirksamen Vereinbarung einer Kündigungsfrist von drei Monaten nicht entgegen.

aa) Das Berufungsgericht geht davon aus, dass es sich bei der Kündigungsfristklausel um eine für eine Vielzahl von gleichartigen Pferdeeinstellungsverträgen vorformulierte Vertragsbedingung handelt, deren Einbeziehung in den Vertrag der Kläger verlangt hat. Das sieht auch die Revision im Ausgangspunkt nicht anders. Die ursprünglich als AGB in den Vertrag einbezogene Kündigungsfristklausel kann auch nicht deshalb als individuell ausgehandelte Vertragsbestimmung gelten, weil die Beklagte am 18. Juli 2016 um Rücknahme ihrer ersten, am 29. April 2016 fristgerecht zum 31. Juli 2016 erklärten Kündigung gebeten und in diesem Zusammenhang den Wunsch nach einer Aufrechterhaltung des Vertrags „in der ursprünglich vereinbarten Weise“ geäußert hatte.

(1) Es ist für die Vertragsparteien zwar grundsätzlich möglich, Vertragsbedingungen auch noch nach Vertragsbeginn im Sinne des § 305 BGB auszuhandeln, so dass die betroffenen Klauseln einen ursprünglich vorhandenen AGB-Charakter nachträglich verlieren (vgl. BGH Urteil vom 22. November 2012 – VII ZR 222/12NJW 2013, 856 Rn. 14 f.).

(2) So liegt der Fall hier aber nicht. Einigen sich die Parteien während des noch bestehenden Mietverhältnisses darauf, die Wirkungen einer ordentlichen Kündigung aufzuheben, so schließen sie damit einen Vertrag des Inhalts, dass sie sich gegenseitig so behandeln wollen, wie wenn die Kündigung nicht erfolgt wäre. Der gekündigte Vertrag bleibt damit, wenn und soweit keine Veränderungen einzelner Vertragsbedingungen vereinbart wurden, zu den bisherigen Bedingungen unverändert in Kraft (vgl. Senatsurteil BGHZ 139, 123, 128 = NJW 1998, 2664, 2666). Zwar hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 18. Juli 2016 ausdrücklich bekräftigt, dass der gekündigte Vertrag nach dem Wegfall der Kündigungswirkungen inhaltlich unverändert fortgesetzt werden sollte. Das bloße Einverständnis des Vertragspartners mit den vom Verwender vorformulierten Vertragsbedingungen reicht aber für sich genommen noch nicht aus, um von einem Aushandeln auszugehen (vgl. BGH Urteil vom 25. Juni 1992 – VII ZR 128/91NJW 1992, 2759, 2760). Der Kläger behauptet selbst nicht, dass er bereit gewesen wäre, im Zusammenhang mit der von der Beklagten erbetenen „Rücknahme“ der Kündigung die von ihm gestellten Vertragsbedingungen – namentlich die Kündigungsfristklausel – ernsthaft zur Disposition zu stellen.

bb) Auch als Allgemeine Geschäftsbedingung hält die Kündigungsfristklausel indessen einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB stand. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

(1) Eine unangemessene Benachteiligung folgt vorliegend nicht aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wonach eine Bestimmung mit im Zweifel wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werden soll, nicht zu vereinbaren ist.

(a) Die beanstandeten Kündigungsklauseln sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit § 695 Satz 1 BGB als einem wesentlichen Grundgedanken des Verwahrungsrechts unvereinbar. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser Vorschrift, nach der die hinterlegte Sache von dem Hinterleger jederzeit zurückgefordert werden kann, auch wenn für die Aufbewahrung eine Zeit bestimmt ist, tatsächlich die vom Berufungsgericht zuerkannte Leitbildfunktion für den Verwahrungsvertrag zukommt.

Es ist freilich umstritten, ob das jederzeitige Rückforderungsrecht des Hinterlegers für den Typus des Verwahrungsvertrags zwingend ist. Der Streit um die Leitbildfunktion des § 695 Satz 1 BGB entzündet sich dabei an der Frage, ob es mit dem Wesen des Verwahrungsvertrags vereinbar ist, wenn der Verwahrer die Rückgabe der hinterlegten Sache abredegemäß allein mit der Begründung verweigern könnte, dass eine für die Verwahrung bestimmte Zeit noch nicht abgelaufen sei. Im Einzelfall kann der Verwahrer – beispielsweise weil er die hinterlegte Sache für eigene Zwecke benutzen darf – ein dem Dispositionsinteresse des Hinterlegers widerstreitendes eigenes Interesse daran haben, die Sache bis zum Ablauf der vereinbarten Aufbewahrungsfrist in seinem Besitz behalten zu dürfen (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 2019 – XII ZR 8/19NJW 2020, 328 Rn. 19).

Darum geht es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung im vorliegenden Fall jedoch nicht. Der vom Kläger verwendete Formularvertrag enthält zwar keine ausdrückliche Klarstellung dahingehend, dass die Vereinbarung der Kündigungsfrist nicht das Recht des Einstellers berührt, sein eingestelltes Pferd auch vor Ablauf der Vertragslaufzeit jederzeit wieder an sich nehmen zu können. Aber auch ohne eine solche Regelung ist die bloße Vereinbarung einer Kündigungsfrist – selbst in einem formularmäßigen Pferdepensionsvertrag – eindeutig dahingehend auszulegen, dass die Kündigungsfrist nur den Vergütungsanspruch des Verwahrers, nicht aber den Rückforderungsanspruch des Hinterlegers berühren soll (vgl. auch BeckOGK/Schlinker BGB [Stand: Januar 2020] § 695 Rn. 4). Dafür sprechen hier auch die vorsorglichen Regelungen in § 4 des Vertrags, wonach die Vergütungspflicht für den Einstellplatz auch bei einer Abwesenheit des eingestellten Pferdes bestehen bleiben soll. Ist das Rückforderungsrecht des Einstellers durch die streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nicht zeitweilig abbedungen worden, stellt sich die Frage nach der Abweichung von einem auf § 695 Satz 1 BGB beruhenden Leitbild des Verwahrungsvertrags nicht.

(b) Wie der Senat bereits ausgeführt hat, ist es eine davon zu unterscheidende Frage, ob solche Abreden mit dem Wesen des Verwahrungsrechts vereinbar sind, mit denen sich der Hinterleger dazu verpflichtet, das vereinbarte Entgelt auch nach der Rücknahme der hinterlegten Sache aus der Verwahrung noch für einen gewissen Zeitraum bis zur Vertragsbeendigung fortzuzahlen. In dieser Hinsicht verdeutlicht aber schon die Vorschrift des § 699 Abs. 2 BGB, dass das Verwahrungsrecht für derartige Vergütungsabreden grundsätzlich offen ist. Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass eine vorzeitige Beendigung der Aufbewahrung den Vergütungsanspruch des Verwahrers nicht schmälern soll, und zwar sowohl durch Individualvereinbarung als auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 2019 – XII ZR 8/19NJW 2020, 328 Rn. 20).

(2) Im Übrigen ist eine Klausel dann unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Verwender die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nimmt und eigene Interessen missbräuchlich auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel ist also mit dem Interesse des Vertragspartners am Wegfall der Klausel und deren Ersetzung durch die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen abzuwägen (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 2019 – XII ZR 8/19NJW 2020, 328 Rn. 21). Auch wenn man – wie das Berufungsgericht – im Pferdepensionsvertrag nach seinem rechtlichen Schwerpunkt einen entgeltlichen Verwahrungsvertrag erblickt, ist die Vereinbarung einer beiderseitigen Kündigungsfrist von drei Monaten (noch) nicht zu beanstanden.

(a) Sie trägt dem berechtigten Bedürfnis des Reitstallbetreibers Rechnung, angesichts des für die Pflege und Fütterung der Pferde erforderlichen Personal- und Sachaufwands Planungssicherheit in Bezug auf die (Wieder-)Belegung seiner Einstellplätze zu haben. Der Einsteller wird bei dieser Vertragsgestaltung im Fall einer sofortigen Rückforderung seiner Pferde zwar für einen gewissen Zeitraum bis zur Vertragsbeendigung mit Vergütungsansprüchen für eine Leistung belastet, die er nicht mehr in Anspruch nehmen möchte. Dem steht aber der vom Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigte Gesichtspunkt gegenüber, dass die Vereinbarung einer für beide Vertragsparteien gleichermaßen geltenden Kündigungsfrist und die damit einhergehende Regelung, den Vertrag ohne Einhaltung dieser Kündigungsfrist nur aus wichtigem Grund kündigen zu können, bei Anwendung des Verwahrungsrechts auch für den Einsteller des Pferdes von nicht nur unbedeutendem Interesse ist. Denn durch diese Bestimmung wird der Anspruch des Verwahrers, bei Verwahrungsverträgen mit unbestimmter Laufzeit aus beliebigen Gründen – in den Grenzen von Treu und Glauben – jederzeit nach § 696 Satz 1 BGB die Rücknahme der hinterlegten Sache verlangen zu können, zugunsten des Hinterlegers abbedungen. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Einsteller des Pferdes bei der Geltendmachung eines nicht fristgebundenen Rücknahmeanspruchs durch den Reitstallbetreiber vor erhebliche Probleme bei der kurzfristigen Suche nach einem neuen Einstellplatz für das Pferd gestellt werden könnte (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 2019 – XII ZR 8/19NJW 2020, 328 Rn. 22).

(b) Das Verwahrungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs enthält keine gesetzlichen Regelungen zur Kündigung von Verwahrungsverträgen mit unbestimmter Laufzeit. Als mögliches Leitbild für die Länge einer Kündigungsfrist, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien eines Verwahrungsvertrags gewährleistet, bietet sich ein Rückgriff auf die Vorschriften zum Lagervertrag (§§ 467 ff. HGB) als einer handelsrechtlichen Sonderform der bürgerlichrechtlichen Verwahrung an. Nach § 473 Abs. 1 HGB kann der Einlagerer – unbeschadet seines Rechts, das eingelagerte Gut jederzeit herausverlangen zu können – einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen Lagervertrag nur unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen. Spiegelbildlich gilt die gleiche Kündigungsfrist gemäß § 473 Abs. 2 HGB für den Lagerhalter, der nach Einhaltung dieser Kündigungsfrist die Rücknahme des eingelagerten Guts verlangen kann. Die einmonatige Kündigungsfrist stellt allerdings nur eine – kurz bemessene – Mindestkündigungsfrist dar. Bei Pferdepensionsverträgen kann im Rahmen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB eine maßvolle Überschreitung der Monatsfrist hingenommen werden, solange die Annahme gerechtfertigt ist, dass die längere Kündigungsfrist auch für den Einsteller zum Zwecke der Suche nach einem neuen Einstellplatz für sein Pferd noch von einem gewissen Nutzen sein kann. Dies hat der Senat bei einer Kündigungsfrist von acht Wochen zum Monatsende bereits bejaht (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 2019 – XII ZR 8/19NJW 2020, 328 Rn. 23). Auch die hier im Streit stehende Dreimonatsfrist ist dem Lagergeschäft nicht vollständig fremd. Sie entspricht der Mindestlagerfrist nach § 422 Abs. 1 Satz 1 HGB in der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Fassung, mag der Gesetzgeber diese Frist mit Blick auf die Gegebenheiten der modernen Lagerpraxis auch nicht mehr für zweckmäßig gehalten haben (vgl. BT-Drucks. 13/8445 S. 121).

(c) Im Übrigen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Interessen des Einstellers, der nicht in der Lage ist, das Tier ohne Weiteres wieder in die eigene Obhut zu nehmen und der wünscht, jederzeit bei Fortbestand des Obhutsverhältnisses an einem festen Ort auf sein Pferd zugreifen zu können, in vielerlei Hinsicht denen eines Mieters gleichen (vgl. Häublein NJW 2009, 2982, 2983). Auch unter diesem Gesichtspunkt wird jedenfalls bei der AGB-rechtlichen Beurteilung die Vereinbarung einer an § 580 a Abs. 1 Nr. 3 BGB orientierten dreimonatigen Kündigungsfrist noch nicht den Rahmen dessen überschreiten, was als angemessener Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien angesehen werden kann, selbst wenn die mietrechtlichen Elemente des Pferdeeinstellungsvertrags – wie das Berufungsgericht meint – durch das Verwahrungsrecht dominiert werden.

3. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Die Sache ist nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht im Sinne des § 563 Abs. 3 ZPO zur Endentscheidung durch den Senat reif ist. Denn das Berufungsgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beklagten ein wichtiger Grund zur Kündigung des Einstellungsvertrags zur Seite stand.

Dose Schilling Botur Guhling Krüger Vorinstanzen:

AG Dorsten, Entscheidung vom 22.03.2018 – 21 C 90/17

LG Essen, Entscheidung vom 11.04.2019 – 10 S 69/18

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