Ihre Anwälte für Pferderecht informieren zur Frage: Ist ein Rücktritt vom Kaufvertrag möglich, wenn sich nach dem Erwerb des Pferdes Rittigkeitsprobleme zeigen?
BGH 27.05.2020 Az: VIII ZR 315/18
Der BGH urteilte am 27.05.2020 dass „Rittigkeitsprobleme“ durch von einem Reitpferd gezeigte Widersetzlichkeiten auch bei Vorliegen eines nicht mit Krankheitssymptomen verbundenen Kissing-Spines-Befundes -in Ermangelung einer anderslautenden Beschaffenheitsvereinbarung oder eines besonderen Vertragszwecks-kein Sachmangel darstellt.
Was war passiert:
Die Käuferin erwarb als Verbraucherin am 5. Oktober 2013 von der Verkäuferin, die Pferdeauktionen ausrichtet, auf der „79. Herbst-Elite-Auktion“ den fünf Jahre alten Wallach „Santiano K“ für 31.733,19 € zur Nutzung als Sportpferd.
In der Folgezeit bildete die Tochter der Käuferin, die als Pferdewirtin und -ausbilderin tätig ist, das Pferd, welches bereits erfolgreich an Turnieren teilgenommen hatte, weiter aus, um es auf den Leistungsstand der Klasse L zu bringen. Im Mai 2014 nahm die Tochter mit dem Pferd an einer Dressurprüfung dieser Klasse teil. Mit Anwaltsschreiben vom 12. Dezember 2014 focht die Käuferin den Kaufvertrag unter Berufung auf arglistige Täuschung an. Sie behauptete unter anderem „gravierende Rittigkeitsprobleme“; das Pferd habe „insbesondere die Widersetzlichkeiten des Blockens beziehungsweise Blockierens“ gezeigt. Mit Anwaltsschreiben vom 16.März 2015 erklärte die Käuferin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Sie behauptet im Wesentlichen, die gezeigten „Rittigkeitsmängel“ beruhten auf verengten Dornfortsätzen der Wirbelsäule (Kissing Spines).
Das Landgericht hatte die auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Pferds, Feststellung des Annahmeverzugs sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage nach Vernehmung mehrerer Zeugen sowie Einholung eines fachtierärztlichen Sachverständigengutachtens nebst ergänzender Anhörung des Sachverständigen abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Käuferin vor dem Oberlandesgericht hatte -nach Vernehmung weiterer Zeugen sowie erneuter Anhörung des Sachverständigen durch das Berufungsgericht -Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Verkäuferin ihr Klageabweisungsbegehren weiter und bekam vor dem BGH Recht.
Der BGH führte in seinem Urteil unter anderem aus:
- a) Der Verkäufer eines Tieres hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird und infolge-dessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre
- b) Die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd wird nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen
- c) Diese Grundsätze gelten nicht nur für physiologische Abweichungen vom Idealzustand, sondern auch für ein vom Idealzustand abweichendes Verhalten, wie etwa sogenannte „Rittigkeitsprobleme“, wenn das Pferd nicht oder nicht optimal mit dem Reiter harmoniert und Widersetzlichkeiten zeigt.
- d) Entspricht die „Rittigkeit“ eines Pferdes nicht den Vorstellungen des Reiters, realisiert sich für den Käufer -wenn nicht klinische Auswirkungen hinzukommen-daher grundsätzlich lediglich der Umstand, dass es sich bei dem erworbenen Pferd um ein Lebewesen handelt, das -anders als Sachen -mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet ist.
- e) „Rittigkeitsprobleme“ durch von einem Reitpferd gezeigte Widersetzlichkeiten sind auch bei Vorliegen eines nicht mit Krankheitssymptomen verbundenen Kissing Spines-Befundes -in Ermangelung einer anderslautenden Beschaffenheitsvereinbarung oder eines besonderen Vertragszwecks-kein Sachmangel der die Rücktrittsvoraussetzungen für einen Rücktritt erfüllt.
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Tags:Kaufvertrag, Pferd, Rücktritt, Unrittigkeit